Ostern im High Country

Einer doch schon recht alten Tradition folgend, trafen wir uns mit E&S zu Ostern. Das hat zwar nicht jedes Jahr geklappt, manchmal kommt uns das Leben “dazwischen”, wir versuchen es aber. Dieses Jahr sollte es ursprünglich ein Gegenbesuch bei uns in Melbourne werden, dann mussten wir aber improvisieren und trafen uns “in der Mitte”, nahe der Grenze zwischen New South Wales und Victoria, den Bundesländern mit Sydney bzw. Melbourne als Hauptstadt. Danke nach Norden, dass Ihr trotz der Umstände diese Reise auf Euch genommen habt!

Die Landesgrenze ist der Murray River, Australiens größter Fluss. Etwas östlich von Albury/Wodonga, der “Doppelstadt” an der Grenze (Albury in NSW, Wodonga in Victoria) befindet sich der Lake Hume, ein durch Eindeichung entstandenes Reservoir. Der Damm wurde zwischen 1918 und 1936 gebaut und dient vor allem der Bereitstellung von Wasser für die Landwirtschaft und Städte am Fluss, aber auch Flutverhinderung und Stromgewinnung. In den 50ern wurde der Damm erweitert, dafür musste sogar ein Dorf, Tallangatta, weichen. Noch heute kann man die blattlosen Kronen alter Bäume aus dem Wasser ragen sehen.

Tallangatta war “the town that moved”, der Ort, der umzog, 8km weiter westwärts. Die aus Holz gebauten weatherboard houses zogen tatsächlich um, wie das Foto, was wir unterwegs auf einer Schautafel fanden, zeigt:

Hier, in Tallangatta, schlugen wir unsere Zelte auf, auf den Showgrounds. Die Showgrounds sind das Gelände, auf dem jedes Jahr eine Landwirtschaftsausstellung stattfindet. Das ist ein Treffen, die der Schaustellung von Tieren, wie Kühen, Schafen, Hühnern und Pferden, und Anbau dienen, aber auch Jahrmarkt und Treffen von alt und jung sind. Zu Ostern war davon nichts zu sehen, die leeren Gehege und Käfige ließen einiges erahnen. Ganzjährig ist das Gelände als Gemeindezentrum und für Sport genutzt. Tallangatta hat, wie viele Städtchen hier, einen Footy (Australian Rules Football)- und Netballklub. Traditional spielen die Jungs und Männer Footy, die Mädchen und Frauen Netball.

Auf dem Gelände gibt es Toiletten und Duschen. Diese werden campenden Besuchern zur Verfügung gestellt, gegen einen Obolus von $20 pro Tag und Gruppe. Dadurch kommt auch etwas Leben und Geld in die Stadt. Wir haben den Samstagabend im Pub, in der Kneipe von Tallangatta verbracht. Hier saßen Großfamilien zusammen, Paare und Freunde. Eine Frau mit Donnerstimme rief zur Verlosung auf. Es gab Fisch, Krebse und Fleisch zu gewinnen. Das Ganze hatte ziemlichen DDR-Charme, mit laminierten quadratischen Tischen und recht einfach gehaltenem Ambiente. Das machten die Einheimischen mit lebhaftem Gewusel wett.

Wir kamen am Karfreitag in den Ort, ebenso wie E&S. Die Wettervorhersage war nass und kalt. die Regenbögen über der saftig-grünen hügeligen Landschaft eindrucksvoll. Den ersten Abend haben wir weintrinkend im “Partyzelt” zugebracht, da es regnete. Für den Rest des Osterwochenende war uns der Regengott gnädig, es blieb ziemlich durchgängig trocken, auch wenn es nicht sehr warm – so um die 15 Grad am Tage – und etwas windig war. Das Zelt blieb trotzdem praktisch, wir haben darin gekocht.

E&S waren mit ihrem neuen elektrischen Auto, einem BYD aus China, angereist. Wir haben unsere Kurzfahrten damit unternommen. S ist offensichtlich begeistert. Sein Strom kommt zumeist von Solarzellen auf dem Dach zuhause, somit wird fürs Fahren kaum Fossiles verbrannt. Die “Tankkosten” sind erheblich niedriger als für uns, wobei der Anschaffungspreis des Autos nach wie vor hoch ist. Da sie erhebliche Entfernungen pendelnderweise im Alltag bewältigen, wird sich die Anschaffung für sie eher rentieren als für uns in der Innenstadt lebenden, im Alltag mit dem Fahrrad unterwegsseienden Sonntagsfahrern.

Tallangatta liegt an einer stillgelegten Bahnstrecke, die inzwischen ein Fahrradweg geworden ist. Wir sind auf ihm ein Stückchen gewandert, u.a. auf einer Brücke, die über das Reservoir führt. Am Montag traten wir schließlich die Heimreise an. Es war ein schönes Ostern für uns.

Zum Abschluss noch ein paar Fotos von der Landschaft, Tallangatta von oben, und von einer kleinen Gruppe von Galahs, die hier viel zu sehen sind. Ich kann dem Reisenden auf dem Hume Highway, zwischen Melbourne und Sydney, Tallangatta empfehlen. Tallangatta liegt etwa in der Mitte, vier, fünf Stunden von beiden Großstädten entfernt.

Ab in die Wüste

Letztes Wochenende waren wir, Q und ich, auf dem Weg in die “Wüste”, die Little Desert. Wie genau das aussieht, wußten wir beide nicht.

Wir setzten uns ins Auto und fuhren nach Nordwesten, wo fast 1000 km entfernt Adelaide, die Hauptstadt von South Australia liegt. Hier ist öfter mal verkehrte Welt, nach Norden zu fahren, um in Südaustralien anzukommen ist eine Seltsamkeit.

In mehrfacher Hinsicht ist der Landstrich dem norddeutschen Auge vertraut. Die Grampians liegen auf der linken Seite des Highways, eine Gebirgsketteninsel im flachen Lande, welches sich danach endlos auszudehnen scheint. Die Getreidefelder sind abgeerntet, gelbe Stoppel, manchmal bereits umgepflügte braune Erde. Durch die Landschaft fahren riesengroße LKWs mit der Aufschrift “Fertiliser” – mit Dünger. Ab und an knorrige Bäume säumen die Straße. Immer wieder sind Getreidesilos zu sehen, manche von ihnen wurden mit Malereien verziert. N’Hill hat nach örtlicher Auskunft das größte Zementsilo der südlichen Hemisphere.

Wasser wird seltener. Die Wimmera fließt nach Norden. Sie ist ein Fluß ohne klar definierte Mündung. Sie fließt durch einige Seen und füllt diese in Zeiten mit viel Regen, ansonsten sind diese oft trocken. Dabei verausgabt sie sich und versickert auf dem Weg zum Murray River, dem größten Fluß Australiens.

Wobei das mit dem Verschwinden bei solchen Flüssen so seine Sache ist. Oft geht es unterirdisch weiter, feuchtet die Erde an und tritt ab und an auch wieder hervor. Das geht recht langsam vor sich. Europäische Siedler versuchten oft, solche Flüsse zu kanalisieren. Das funktioniert aber nicht wirklich gut, wenn es selten, aber dann recht kräftig regnet. In solchen Fällen wird dem Wasser die Möglichkeit genommen, sich langsam zu verbreiten und den Durst der Tiere und Pflanzen zu löschen. Stattdessen rauscht das Wasser im Kanalbecken schnell ans Meer und geht dem Lande verloren.

Wir haben die Wimmera bei Dimboola fließen sehen und waren an den zwei Seen, die nördlich der Little Desert von der Wimmera gefüllt werden. Im nördlichen von beiden, dem Lake Albacutya, stellten wir das Auto an der West Beach, dem Weststrand,, ab. Von Wasser war zunächst keine Spur. Die “Seeoberfläche” war ausgetrocknet, Sträucher und kleinere Bäumchen hielten sich wacker. Von oben, in der Ferne, konnten wir dann doch noch eine Wasserfläche erspähen, in der Mitte der ein paar Kilometer großen Senke.

Weiter südlich, am Lake Hindmarsh, war es anders. Der See hatte sich zu 30 Prozent gefüllt, haben mir Einheimische erzählt. Ich nahm an, dass wir durch Jeparit an den See gelangen wurden. Dr.Google hatte andere Pläne für uns, da wir vom Norden kamen. Für wohl zwanzig Kilometer ging es Feldwege entlang, und mehr als einmal erzählte ich unserem betagten Stadtauto, dass es in Wirklichkeit einen Allradantrieb hat. Oft waren die Fahrrinnen tief eingefahren und in der Mitte ragte hartes Gestrüpp nach oben und bürstete das Auto von unten. Dort lang zu fahren war ein Spaß mit Nervenkitzel. Der “Straßenname”, Lake Road, Seestraße, war vielversprechend, das wars aber auch. Schließlich hielten wir das Auto an und wanderten auf die baum- und buschbestandene Hügelkette hinauf. Tatsächlich sahen wir dahinter Wasser in der Sonne glitzern. Ein paar mannshohe Kängerus hoppelten vor uns davon, es zwitscherte hier und da, ein Schwarm von rosafarbenen Galahs zog vorbei. Wir liefen bis an das Wasser heran. Da der See nicht voll war, ging es über den morastigen Boden, bis wir aufgaben. Einige der Pflanzen kennen wir, da sie auch nahe unserer Strände von Melbourne wachsen.

 

Ein weiteres Mal ging es für uns an den Seestrand am Pink Lake von Dimboola. Hier füllt das Wasser eine salzige Senke. Beim Wanden knirschen die Salzkristalle unter unseren Füßen, der See selbst liegt rosa vor uns. Auch hier ist Vogelgezwitscher zu hören.

Unser Zuhause war für diese Tage die Little Desert Natur Lodge. Hier trafen wir drei Frauen, die sich der Beobachtung von Vögeln hingaben, als auch dem Fotografieren. Sie hatten gewaltig aussehende Kameras dabei, bestückt mit Teleobjektiven von 400 mm und mehr. Wir hatten weder derartiges  Equipment noch Ahnung, wie man damit umgeht, deshalb sind meine Fotos mehr oder minder vogelfrei.

Mit einer Ausnahme: George, das Emu, dem die Lodge gehört. Der metergroße Laufvogel lief auf dem Grundstück herum und genas das grüne Gras. Mick zufolge ist er der Müllvernichter des Hauses und isst so ziemlich alles, was er so findet, außer Tomaten, die er nicht mag.

Vicky und Mick sind die neuen Betreiber der Lodge. Zuvor hatten sie eine Geflügelfarm zum Eierlegen. Wir waren ihre ersten Gäste , bevor sich die Lodge mit weiteren füllte. Als wir abfuhren, war z.B. eine Gruppe von Landwirtschaftsstudenten aus Geelong dort. Vicky und Mick waren sehr nett. Mick ist aus Yorkshire, dem Norden Englands. Seine Mischung aus Dialekt und Nuscheln war etwas schwierig zu verstehen, aber irgendwie verstanden wir ihn. Dass selbst seine Ehefrau meint, ab und an würde sie nur lächeln und nicken, wenn sie nichts versteht, beruhigte mich ein wenig. Es lag also nicht nur an meinen Ohren.

Die “Little Desert” ist keine Sandwüste wie die Sahara, sondern eine recht trockene Landschaft, die mit niedrigen Büschen und Bäumchen bestanden ist. Da der Boden sehr nährstoffarm ist, bleiben die Pflanzen nur Zwerge. So wird die Banksia, die anderswo bis zu 6m hoch wird, hier nur hüfthoch. Ich finde das Wandern durch diese Landschaft sehr schön. Für manche ist es wahrscheinlich zu unspektakulär. Ich finde solche Wanderungen abwechslingsreich. Je nach Wasser- und Bodenbeschaffenheit wechselt der Wuchs, es gibt mindestens 50 Variationen des Wortes “grün” und außerdem  gibt es immer mal wieder Vögelchen zu beobachten. Das kann man auch an den Wasserlöchern an der Lodge tun. Manchmal saß ich nur da und guckte mir das Hüpfen und Federspreizen eines kleinen Blue Wrens an. (Hier ein Beispiel: https://www.fncr.org.au/wildlife/birds/blue-wren/ )

Wir fuhren zu einem kleinen Ort namens Rainbow. Ob es was mit der gleichnamigen Kleinstadt einer Ferienserie namens “Bed of Roses” zu tun hat? Die Antwort: Nein. Dafür haben wir die erste Kneipe des Landes gesehen, die nach unserem neuen König Karl/Charles III. benannt ist.

Ansonsten haben wir noch Jeparit besucht, der Geburtsort Robert Menzies.

Hier trafen wir Simone, die, wie ihr Ehemann, aus Stralsund stammt und kurz nach der Wiedervereinigung nach Australien auswanderte. Ihr Ehemann schlief im Scooter, während wir mit Simone redeten. Er hatte vor kurzem einen Schlaganfall. Die beiden waren aufs Land gezogen, da sie Angst vor mehr Covid-Ausgangssperren in Melbourne hatten. Sie ist nicht geimpft. Covid hat doch erhebliche Spuren in ihrem Leben hinterlassen, auch wenn sie sich nicht infiziert hat, wie es scheint. Wir redeten auch über einen Flug nach Deutschland mit Southern China, den sie zu zweit mit Tochter gebucht hatten. In Guangzhou gab es Huddeleien mit dem Weiterflug, der sie Nerven gekostet hat. Das kann ich mir vorstellen, so ganz einfach ist das mit der Völkerverständigung auf chinesischen Flughäfen nicht. Mit dem Englisch ist das so eine Sache, und mit Autoritäten eine andere..

Das kleine Dorf Jeparit, derzeit mit etwas mehr als 600 Einwohnern, hat, wie so viele Orte des Landes ein Mahnmal für die gefallenen Soldaten des Ersten Weltkrieges, oft später erweitert für die Soldaten anderer Kriege, an denen Australien beteiligt war. Sie sind in der Regel eher gesetzte Erinnerungsstätten. Wohl haben von John Howard an in den letzten zwei Jahrzehnten Politiker versucht, ein wenig Patriotismus aus der Bevölkerung heraus zu pressen, so recht gelungen ist es ihnen aber nicht. Australier sind keine Heldenverehrer.

Etwas verwirrt hat mich die Ergänzung: Korea 1939 – Vietnam 1945. ? Ich vermute, das muss man anders lesen: 2.Weltkrieg 1939-1945, Koreakrieg und Vietnamkrieg.

Robert Menzies, ein konservativer Politiker, war von 1939 bis 1941 als auch von 1949 bis 1966 Ministerpräsident Australiens. Seine Eltern waren nach Jeparit gezogen, um einen general store, den Gemischtwarenladen des Ortes zu übernehmen.

Ich habe vor kurzem eine Episode gelesen, die mit ihm verbunden ist. In den Dreißigern war er Verkehrsminister des Bundeslands und daher “Herrscher” über die Bahn. Reg Ansett etablierte einen Frachtverkehr mit LKWs im Nordwesten des Landes, wo wir gerade waren, zwischen Horsham und Ballarat. Menzies reagierte gegen den ungewollten Wettbewerb für die Bahn mit einem Verbot privater Fuhrunternehmen. Reg Anzett reagierte, in dem er eine Fluglinie gründete. Flugunternehmen unterstanden der Bundesregierung, Menzies konnte dagegen nichts ausrichten.

Zunächst waren Passagierflüge untersagt. Auch dagegen fand Reg Anzett eine Umgehung: Er deklarierte die Flugzeuge als fliegende Obstläden. Für etwas mehr als 2 Pfund konnte man an Bord und im Flugzeug Obst kaufen. Nebenbei kam man so von Stadt zu Stadt.

Dieses “Kein Bergbau”-Schild konnte ich zunächst nicht einordnen. Wie es aussieht, gibt es Interesse am Sandabbau von Zirconium. Mehr kann ich dazu aber nicht sagen.

Mit dem Fahrrad nach Hastings

Vor kurzem waren wir nach Hastings unterwegs.

Unsere Radtour führte uns zunächst eine unserer Hauptstraßen entlang nach Osten, nach Caulfield. Auf dem Weg fanden wir eine russische griechisch-katholische Kirche. St.Nikolaus. Diese Gemeinde geht, wie deren Webseite verkündet,  auf byzantinische Traditionen zurück. Ich kenne mich mit Kirchengeschichte zu wenig aus, um das richtig einordnen zu können. Diese Russische Griechisch-Katholische Kirche scheint ihren Ursprung im 19.Jahrhundert zu haben, Russisch-Orhodox in Liturgie, aber die Gemeinschaft mit Rom suchend. Ums für mich verwirrender zu machen, gibt es eine Gedenktafel in für mich unlesbaren Hebräisch mit Porträt eines weißbärtigen Mannes und Jahreszahlen wie 1941-44, 1951 und 1995. Der Grundstein für das Kirchgebäude  wurde 1887 gelegt.

Die Gegend, in der wir wohnen, ist von Osteuropäern geprägt, die zu Zeiten um den 2.Weltkrieg herum hierher geflüchtet sind. Es gibt auch viele Juden hier. Am Samstag sind sie traditionell gekleidet zu sehen, es ist Sabbat. An diesem Tag haben auch jüdische Geschäfte geschlossen.

Von Caulfield nahmen wir den Zug entlang der Küste nach Frankston. In den letzten Jahren wurden viele Schranken beseitigt, die Schienen und die Bahnhöfe sind nun entweder unter der Erde oder über der Straße, dann mit Blick auf die Bucht. Carrum ist Qs Favorit.

Von Frankston radelten wir dann nach Hastings zum Western Port. Das ist die nächste Bucht weiter östlich. Sie heißt Western Port, da es der westlichste Punkt einer Seereise eines Schiffes aus Sydney in der Anfangszeit der europäischen Besiedlung war.

Die meiste Zeit konnten wir auf separaten Radwegen entlang Bahnlinie und Landstraße fahren, es waren aber auch ein paar Kilometer direkt auf der Straße dabei. Das ist weniger schön, wir haben es aber überstanden.

Wir fanden am Wegesrand reichlich Brombeeren. Es wuchs auch viel Weißdorn am Straßenrand. Sie sind eingeschleppt und neben einheimischen Pflanzen Platz weg, leider. Die Brombeeren waren schön süß, besser, als was wir in der Kaufhalle oder auf dem Markt finden. Das kann ich auch über das Gemüse aus dem Garten sagen.

Bei Somerville machten wir Rast. Es war Mittagszeit. Die Kneipe war frisch renoviert. Wir teilten uns eine Lammkeule und angebratenen Schweinebauch mit Apfelmus und Kartoffelmus. Zur Abwechslung mal ein „westliches“ Essen. Wir hatten gerade chinesisches Neujahrsfest, da gab es ein paar Gerichte aus Qs Heimat, zum Teil mit Besuch geteilt.

Somervilles größter Arbeitgeber ist eine Geflügelfarm, oder besser Geflügelfabrik, Ingham’s, eine der größten in Australien.

Weiter radelten wir unserem Ziel, Hastings entgegen. Dort gibt es ein größeres Schilfgebiet, ein hölzener Steg führt uns hindurch. Auch stehen Mangroven im flachen Wasser. Die Bucht ist Zuhause für Pelikane. Wir haben unerwarteterweise eine frühere Kollegin von Q getroffen, die dort ihren Hund spazieren führte. Wir hatten sie einmal zu Silvester bei uns, das ist vielleicht zehn Jahre her. Wir haben uns vorgenommen, sie öfter mal wieder
zu treffen.

Viel Zeit hatten wir in Hastings nicht, da der Zug nach Frankston nicht sehr häufig fährt. Wir wollten nicht zwei Stunden warten.

Hastings und seine Umgebung ist übrigens die Heimat von Inspektor Challis, der Hauptfigur einer Reihe von Romanen von Garry Disher, die auch ins Deutsche übersetzt wurden.

Sommer – das Wetter, das Haus, das Land, das Wasser und wir

Wir haben hier tatsächlich wieder Sommer, und das heißt manchmal: Ganz heiß – und dann kühlt es sich wieder ab.,

In der Regel ist der Sommer eine Zickzackkurve. Das liegt an Melbournes Position.

Wenn wir am Ozean stehen, gucken wir auf das Meer, dessen Wellen aus der Antarktis herüberschwappen, während sich hinter uns ein sonnenverbrannter roter Erdteil, Australien, dreitausend Kilometer weit nach Norden erstreckt. Australien hat übrigens in etwa die Größe Chinas. Nur das hier nicht mehr als eine Milliarde Menschen wohnen, sonder nur ca. 25 Millionen, ein Bruchteil dessen. Was vor allem daran liegt, dass es hier wesentlich weniger Wasser gibt, keine der großen Flüsse, wie sie in China z.B. aus den Bergen im Inneren des Landes ins Meer im Osten strömen.

Für zumeist knapp eine Woche kommt der Wind aus nördlichen Richtungen, oft nordwestlich, und bringt uns Hitze, die sich langsam aufstaut. An Tagen wie gestern erreicht es ca. 40 Grad.

Was nachts manchmal ein wenig problematisch sein kann, wenn man ohne Kühlung lebt. In unserem “neuen” Haus, das wir vor ein paar Monaten bezogen haben, gibt es eine interessante erprobte Kühlung, evaporative cooling, Verdunstungskühlung. Bei der fließt etwas Wasser über “Kühlungskissen”, zumeist aus Holz oder Zellulose, und verdunstet. Ein Ventilator bläst die Luft hindurch, die sich so um bis zu 15 Grad abkühlt. Unsere Kühlung ist ein großer Kasten auf dem Dach. Die Luft wird nach unten geblasen und kommt durch vergitterte Schlitze nahe des Bodens aus der Wand. Das ist um einiges wirkungsvoller als diese weißen “aircons”, Raumkühlungen, die man oft findet und die kalte Luft direkt von einer Seitenwand, oben angebracht,  in den Raum blasen.

Allerdings haben wir diese Kühlung bis jetzt sehr selten benutzt. Zum einen sind wir weitaus mehr als andere draußen unter freiem Himmel unterwegs, radelnd, laufend, im Garten etc. Wir finden schon 26 Grad kühl, wenn es draußen über 30 Grad sind. Ich bin z.B. auf Arbeit von Einwanderern aus subtropischen Gegenden umgeben, die ständig zuhause mit Kühlung lebten und draußen mit dem Auto und Klimaanlage unterwegs sind. Diese regeln die Klimaanlagen oft auf arktische Temperaturen herunter.

Das Verständnis für die physikalischen Grundlagen und Dingen wie Regelungstechnik ist bei vielen sehr begrenzt. Dass man bei Hitze der Klimaanlage nicht 16 Grad als Ziel vorgibt, um 22 Grad zu erreichen, wird oft nicht verstanden. Es reicht 22 Grad anzugeben, die Kühlung erreicht diese 22 Grad genauso schnell und hält diese Temperatur bei einer regelnden Anlage. Auch sehe ich immer wieder Menschen, die Rollos auf der Südseite zuziehen, von wo die Sonne nie hereinscheint. Zur Erinnerung: Wir leben auf der südlichen Halbkugel, die Sonne steht zu Mittag im Norden.

Unser Haus hat im Osten ein doppelstöckiges Haus mit mehreren Wohnungen als Nachbarn. Daher fehlt unserem Einstöcker die Morgensonne. Daher ist es morgens recht kühl. Wenn es eh nicht sehr warm wird, fühlt es sich hier wie ein Eispalast an. Positiv ist anzumerken, dass es eben auch an heißen Tagen etwas kühler als anderswo ist.

Melbourne liegt nicht direkt am Ozean, sondern an der Port Phillip Bay, die ziemlich kreisförmig rund 70km im Durchmesser groß ist. Wenn die Spirit of Tasmania durch die Bucht aufs Meer zu der großen Insel im Süden fährt, in etwas mehr als 10 Stunden, dauert es etwa 1,5 Stunden bis sie durch die schmale, nur etwas mehr als  2km breite Öffnung den Südlichen Ozean erreicht. Zum Vergleich: Wer von Rostock nach Gedser, nach Dänemark, unterwegs ist, bewältigt mit der Fähre die Entfernung von 40km  in fast 2 Stunden.

Gesten war es, wie gesagt, ein heißer Tag. Die niedrigste Temperatur zu Sonnenaufgang war fast 25 Grad. Ich ging vor dem Frühstück hinunter zum Strand und tauchte in das erfrischende ruhige Wasser der Bucht hinein. Wenn kein Wind ist, ist die See flach wie ein Spiegel. Gestern morgen war kaum Wind. Auch zu Mittag nahm ich mein Rad und war nach zehn Minuten wieder am Wasser. Blauer Himmel, blaues Meer – was will man mehr?

Am Nachmittag nach drei konnte ich das Spektakel des “cool change”, des Wechsels ins Kalte, anschauen.  Ich habe aus dem dritten Stock einen Panoramablick über die kleinen Häuschen South Melbournes bis auf die Wolkenkratzer der Innenstadt. Wo eben noch blauer Himmel ab und an ein weißes Wölkchen war, türmten sich jetzt graue Wolken. Der Südwind hatte gewonnen. Nach Tagen der ansteigenden Hitze blies es nun kühl aus den antarktischen Gewässern in die Stadt hinein. Von 40 Grad ging es blitzschnell auf weniger aks 20 Grad herunter. Als ich gegen sieben nach Hause fuhr, fröstelte ich auf dem Rad ein wenig in meinem kurzärmligen Sommerhemd.

Jetzt wird es ein paar, oft fünf oder sechs Tage, dauern, in denen es sich langsam wieder erwärmt, bis zum nächsten cool change. Der Sommer ist ein auf und ab, bis es sich zum goldenen Herbst beruhigt. Die Aborigines nennen den Herbst die Zeit, in der der Regen und der Wind aufgehört haben.

Zur Zeit genieße ich aber noch ein wenig Sommer. Dessen Wechselhaftigkeit und insbesondere der cool change fasziniert mich immer wieder. Ich merke, dass ich an der Wasserkante gelandet bin, die Kälte und Hitze, einen roten Kontinent und eine kalte See, an dessen anderem Ende ein schneeweißer Kontinent liegt, voneinander trennt.

Traurige Nachricht

Ende letzten Jahres erreichte mich hier in Australien die traurige Nachricht, dass mein Vater gestorben ist. Am 4.März 1937 geboren, verstarb er am 28.Dezember 2022.

Dies ist mein Foto von meinem letzten Ausflug letztes Jahr mit meinem Vater Karl-Friedrich Roß, zu einem Mittagessen in der Rostocker Trotzenburg.

Es sind nun 45 Tage ohne ihn, und mir fallen immer wieder Dinge ein, die ich mit ihm teilen möchte. Von Jazzplatten über Nachrichten vom Handball, Neues aus Rostock, ob er denn auch dieses oder jenes Fußballspiel geguckt hat, Erinnerungen zu Musik oder etwas vom Hafen, dass die Spirit of Tasmania umgezogen ist, dass unser Sohn ein Praktikum angefangen hat, Sommer am Strand und Brombeeren pflücken…

Er fehlt mir sehr. Von seiner Frau, meiner Mutter, und uns Geschwistern, seinen Kindern angefangen, sicher noch einigen Menschen mehr.

2022 – Die Rolle rückwärts – Folge 1: Zuhause

Hallo allerseits, hier die erste Folge meines Rückblicks auf das Jahr 2022. Ich fange mal von hinten an.

Wie schon erwähnt, blieb uns ein Umzug nicht erspart, welcher besonders ungelegen kam, da ich für drei Monate in Deutschland weilte.

Unser altes Zuhause war für die neuen Eigentümer offensichtlich renovierungsbedürftig, wie ich im Vorbeiradeln in den letzten Tagen feststellte.

Unser neues Zuhause bedurfte auch einiger Aufmerksamkeit.

Glücklicherweise hatte ich Hilfe -eine neugierige Katze, die gern nachschaut, was so in den Kisten und Schubladen ist.

Zunächst mussten wir ab und an den Vermieter um Handwerker bitten. Es war ein Eispalast, da es noch nicht Sommer geworden war und ich mich, aus dem überall gut beheizten Deutschland kommend, noch nicht an die zugigen Häuschen Melbournes wieder gewöhnt hatte. Nicht nur La Nina, das Wetterphänomen im südlichen Pazifik, welches der Ostküste Australiens einen kühlen und nassen Frühling bescherte, hat zum frostigen Binnenklima des Hauses beigetragen. Auch Fenster, die nicht schließen und andere Problemchen trugen dazu bei. Die Dusche leckte, unter der Küchenspüle auch, und wir hatten öfter Besuch zum Basteln. Inzwischen haben wir fast alles geregelt, scheint mir. Wir haben den Geschirrspüler zum Funktionieren gebracht, die Heizung geht und die Kühlung auch.

Die brauchen wir nun auch. Ein spannendes Prinzip: Es werden im Dach Tücher angefeuchtet. Ein Ventilator drückt dann so angefeuchtete und gekühlte Luft nach unten. Das ist ziemlich effektiv, habe ich mir sagen lassen. Wie auch immer: Es geht!

Im Laufe der letzten zwei Monate hat sich langsam das Gefühl von zuhause eingestellt. Wir haben Möbel verrückt, Gardinen aufgehängt, Kisten ausgepackt und mehr.

Dank halbtransparenter Gardinen in Pastellfarben und einer traditionellen  hölzernen Sitzgruppe aus der Heimatstadt von Q, aus Zhongshan, hat das Wohnzimmer ein “japanisches Flair”, wie meine Frau meint.

Einen Garten haben wir auch, und dank Nachbarschaftshilfe von John aus Port Melbourne sind die Pflanzentöpfe ebenfalls “nach Hause” gekommen.

 

Ein Argument gegen hohe Hürden, um Beihilfe vom Staat zu bekommen

Unter meinen Bekannten gibt es einige, die der Meinung sind, wenn jemand Beihilfe vom Staat benötigt, sollte es ihm/ihr so schwer wie möglich gemacht werden, diese zu bekommen. Dadurch werden sie davon abgeschreckt, sie zu beziehen und besorgen sich schneller eine Arbeit.

Mir sind kürzlich zwei Fälle begegnet, bei denen es das Gegenteil bewirkt.

Ihnen war Teilzeitarbeit angeboten worden, die ihnen jeden Monat fast 1000 Dollar Einkommen eingebracht hätte.

Beide wollten diese Arbeit nur unter der Hand in bar, was für den Arbeitgeber nicht machbar war. So blieben sie ohne diese Arbeit und werden wahrscheinlich irgendwo gegen Bargeld Kellnern gehen, statt ihr Berufswissen einzusetzen.

Der Hauptgrund waren die Komplikationen, die es bei dem Bezug der Beihilfe geben würde, auch, wenn der Job irgendwann wegfällt. Die Hauptsorge waren zu erwartende Verzögerungen bei der Änderung und die Angst, so die bewilligten Beihilfen zu verlieren, ganz oder zeitweise,

Wenn die Bearbeitung der Anträge beim Arbeitsamt einfach wäre, wären sie jetzt wieder zeitweise im Beruf tätig. So verharren sie in einem Leben mit Beihilfe.

Ungeplanter Umzug ohne Beteiligung meiner Person (soweit)

Ich hatte beschlossen, für drei Monate nach Deutschland zu fliegen. Es waren vier Jahre vergangen, seitdem ich Familie und Freunde und Europa besucht hatte.

Der Termin ließ sich am 1. Oktober festmachen, an dem Tag, an dem sich meine Mitstreiter(innen) aus der Studienzeit treffen wollten. Ich plante und buchte, annehmend, daß mr Covid nicht weiter in die Quere kommen würde. Das klappte dann ja auch, und als ich in Deutschland war, erzählte mir meine Frau, daß sie sich entschlossen hatte, auch zu kommen, sie hatte auch gebucht.

Soweit, so gut.

Dann platzte die Bombe: Unsere Vermieterin will das Haus, in dem wir wohnen, verkaufen. Wir müssen raus.

In Deuitschland ist das auch nicht prickelnd, aber, so sagte mir mein Bruder, hätte man zwei Jahre, wenn der Vermieter auf Eigenbedarf klagt.

Bei uns downunder ist kein Klagen notwendig, ohne Angabe von Gründen kann gekündigt werden. Wir hatten 60 Tage. Das heißt, eine Woche nach Ankunft meiner Frau und bevor ich wieder aus Europa zurückkommen würde, mußten wir raus.

Also fingen wir zu Rotieren an und suchten nach Häusern, die uns genug gefallen würden, groß genug sind und presiswert erschwinglich. In Port Melbourne fast aussichtslos, aber wir wurden in St.Kilda East fündig. Der Umzug fand eine Woche vor dem Abflug meiner Frau statt. Ein Umzugsdienst wurde angeheuert, meine Familie – ohne mich – packte alles in Kisten und dann ging es zum neuen Haus. Ich sprach mit meiner Tochter, da ich doch einige Bücher aussortieren wollte, das war es dann auch von meiner Seite, neben ein wenig Internet organisieren.

Heimflug

Heute bin ich aus Deutschland wieder zurückgekommen.

Der Heimreise war mehr oder minder ohne weitere Vorkommnisse. Von meiner Schwester und Schwager Abschied genommen, am leerstehenden Bahnhof von Suhl, fuhr der Zug mit geringer Verspätung nach Würzburg, wo ich umstieg, bis nach Frankfurt am Main. In der Ebene am Main war es neblig.

Die S-Bahn zum Flughafen hatte ihre Probleme, ich hörte etwas von einer Person auf den Gleisen, doch gab es einen Regionalzug, der mich zum Airport brachte.

Dort das übliche Sicherheitstheater, danach befanden wir uns in einem Niemandsland, in dem es nicht genügend Stühle gab. Ich lag auf einem Spielplatz und hörte mal ausnahmsweise keine Musik, daher stattdessen Kindergeplapper, leise Gespräche reisender Paare in allerlei Sprachen, letzte Telefonate, bevor es in das Flugzeug ging. Es entspannte mich.

Ich versuchte, meine Flugzeit zum Schlafen zu nutzen, dazu, mich zeitzonenmäßig nach Melbourne zu versetzen. Daß ich dies nun am ersten Abend downunder schreibe, ist ein dezenter Hinweis: So ganz hat das nicht geklappt.

In Dubai ging ich ins Hard Rock Cafe zum Frühstück, da es dort ordentlichen Kaffee in Tassen gab. Die Musik dort war auch zumeist älter, aber immerhin zumindest rockig. Ich sah Videos von den Cranberries, Zombie, und von Wolfsmother, einer Band aus Australien. Es gab aber auch ihre Landsleute aus der älteren Generation, AC/DC, und deren Zeitgenossen.

Insgesamt, mit Glas und Aufzügen und Fontänen, wirkt Dubai modern und ist für den Reisenden angenehm. Meine Ankunft in Melbourne.. naja. Es gibt Schöneres, als sich mit hunderten Passagieren an den Wänden entlang zu schlängeln, bevor ich dann in die Wildbahn entlassen wurde.

Mit Skybus und Straßenbahn fuhr ich zu meinem noch unbekannten Zuhause in St.Kilda East, unweit der Carlisle Street und der Balaclava Station für S-Bahnen an der Sandringham Line. An der Straßenbahn wurde ich auch von meiner Frau in Empfang genommen. Dann ging es nach Hause.. und das ist eine Geschichte für sich.

Kopenhagen

We all live in a yellow submarine.. okay, nicht ganz. Wir leben in weißen Pods, die sich in einem alten Lagerhaus aneinander reihen. Eine Tür links, eine Tür rechts. Einer bekommt die obere Hälfte des Pods, einer die untere. Ein kleiner Eingangsbereich hinter der Tür, um das Gepäck unterzubringen, die Klamotten aufzuhängen und sich anzuziehen. Dann geht es entweder nach oben oder unten, Platz für eine Matratze. Man hat einen Meter Höhe, denn unter oder über einem schläft jemand anders. So ungefähr, wie bei unserem Dachzelt, welches wir uns vor einiger Zeit gekauft haben. Dies ist aber Zelten in der Halle, nicht draussen. Das Licht kommt von abgedeckten LEDs an der Decke, die sanft ihre Farbe ändern. Wenn das Licht aus ist und es Morgen wird, hat man keine Ahnung, wie spät es ist. Kein natürliches Licht stört hier beim Schlaf. Im Pod hängen Morgenmäntel. Wenn alle darin zum Bad gehen, habe ich das Gefühl, einer Sekte anzugehören, in der alle Mönche das Gleiche tragen.

Das ist der City Hub von Kopenhagen. Draussen eine belebte Straße. Belebt von vielen vielen Kneipen, in oder vor denen Dänen dem gemeinsamen Biertrinken nachgehen. Zum Essen gibt es auch genug, vom Kebabimbiss über den Inder bis zum vietnambeeinflussten Fusion-Restaurant der gehobenen Preisklasse. Fahrräder sausen auf dem autospurbreiten abgetrennten Radweg vorbei, einfache Alltagsräder, Lasträder, Kinder im Anhänger, zumeist allein muskelkraftbetrieben, von Frau und Mann aller Altersklassen.

Wir frühstücken in einer Bäckerei, die neben allerlei Gebackenem auch Kaffee anbietet, der aus einer echten Espressomaschine kommt, die von einer echten Barrista bedient wird. Der Pappbecher ist ein Wermutstropfen. Sonst wäre es perfekt gewesen. Aber auch so: neun von zehn Punkten.

Meine Frau hat das Lousiana Museum für Zeitgenössische Kunst ausfindig gemacht. Ich lasse mich willig entführen. Die Fahrt mit einem Vorortzug nach Helsingor führt hinaus in den Norden, durch grüne Laubwäldchen mit gelegentlichem Blick aufs blaue Meer. Das Wetter ist gnädig, der Himmel ebenfalls blau. Im Zug wird vorallem deutsch geredet. Viele verlassen den Zug und machen sich auf den Weg durch ein kleines Örtchen. Im Museum angekommen, mache ich mich nach dem Zahlen auf dem Weg nach draußen. Mit Blick zum Meer steht da eine Skulptur, die ich als Kulturbanause mit “Sieht aus wie Henry Moore” begrüße. Es ist Henry Moore, der Kandidat bekommt 100 Punkte. Die Verbindung des Museums mit grüner Gartenlandschaft und Skulpturen finde ich gelungen.

Die Dauerausstellung zeigt zunächst Yves Klein. Ich muss an ein Gespräch mit einem Ausstellungsorganisator in Frankfurt denken, der über den Kontrast zwischen dem sozialistischen Realismus, der mich in meiner Jugend umgab, und abstrakter Kunst, die u.a. auch in der Altbundesrepublik beliebt war, sprach. Vielleicht kommt mein Unverständnis für monochrome Vierecke daher. Catherine Opie fotografierte Elizabeth Taylors Zuhause, kurz bevor die berühmte Schauspielerin starb. Für mich sag es wie ein riesiges Museum aus, an vielerlei Kapitel und Menschen aus ihrem nicht gerade erlebnisarmen Leben erinnernd. Dann war da noch Andy Warhol, Marylin Monroe und Campbell-Dosen.

Mir gefielen noch ein paar andere Werke, wie Pop von Sharah Hughes oder Der Daumen von Cesar Baldaccini. Letzterer vorallem als Fotoobjekt 🙂

Im Kellergeschoss war eine Ausstellung über Forensic Architecture zu sehen. Es zeigt in Videos, Tafeln und mehr, wie Menschenrechtler mit Hilfe moderner Forensik fragwürdige Ereignisse begutachten, um offizielle Berichte von Polizei und anderen unter die Lupe zu nehmen, um die Wahrheit zu finden.

Bis ins nächste Jahr zeigt das Museum Werke von Alex da Corte. Pop Art knallbunt, mit Bezugspunkten zu Musikern wie Beyoncé oder Eminem, Filmen wie der Zauberer von Oz und mehr.

Es war definitiv genug, um uns zu unterhalten und Eindrücke zu erhaschen, die uns lange erhalten bleiben.

Wir wanderten durch Kopenhagen. Mir fiel irgendwann auf, daß ich – im Gegensatz zu Frankfurt und Melbourne – keine Obdachlosen sah. Wie ich recherchierte, gibt es tatsächlich weniger als in Deutschland – mehr als 2,5 mal so viele, auf die Einwohnerzahl aufgerechnet, gibt es dort – und in Australien – 4 mal so viele. Die meisten dänischen Obdachlosen haben mentale Probleme oder sind drogen- oder alkoholsüchtig. In Australien lebt allein ein Viertel auf der Straße, die Opfer von häuslicher Gewalt geworden sind.

Am Abend versuchen wir uns in einem “Cafe”, welches eigentlich auch eine Kneipe ist, nur dass man auch einige Gerichte und offene Sandwiches, garnierte Brotstullen bekommen kann. Ein Bier ein Bestellfehler: Ich bekomme ein belgisches mit Glykosesyrup. Es gibt Gründe für das deutsche Reinheitsgebot. Bier und Gericht mag nicht unbedingt meine erste Wahl sein, die Umgebung, viele junge und alte Menschen in Gesprächen vertieft, gleicht das aus.

Ein schöner Tag!