Sommer – das Wetter, das Haus, das Land, das Wasser und wir

Wir haben hier tatsächlich wieder Sommer, und das heißt manchmal: Ganz heiß – und dann kühlt es sich wieder ab.,

In der Regel ist der Sommer eine Zickzackkurve. Das liegt an Melbournes Position.

Wenn wir am Ozean stehen, gucken wir auf das Meer, dessen Wellen aus der Antarktis herüberschwappen, während sich hinter uns ein sonnenverbrannter roter Erdteil, Australien, dreitausend Kilometer weit nach Norden erstreckt. Australien hat übrigens in etwa die Größe Chinas. Nur das hier nicht mehr als eine Milliarde Menschen wohnen, sonder nur ca. 25 Millionen, ein Bruchteil dessen. Was vor allem daran liegt, dass es hier wesentlich weniger Wasser gibt, keine der großen Flüsse, wie sie in China z.B. aus den Bergen im Inneren des Landes ins Meer im Osten strömen.

Für zumeist knapp eine Woche kommt der Wind aus nördlichen Richtungen, oft nordwestlich, und bringt uns Hitze, die sich langsam aufstaut. An Tagen wie gestern erreicht es ca. 40 Grad.

Was nachts manchmal ein wenig problematisch sein kann, wenn man ohne Kühlung lebt. In unserem “neuen” Haus, das wir vor ein paar Monaten bezogen haben, gibt es eine interessante erprobte Kühlung, evaporative cooling, Verdunstungskühlung. Bei der fließt etwas Wasser über “Kühlungskissen”, zumeist aus Holz oder Zellulose, und verdunstet. Ein Ventilator bläst die Luft hindurch, die sich so um bis zu 15 Grad abkühlt. Unsere Kühlung ist ein großer Kasten auf dem Dach. Die Luft wird nach unten geblasen und kommt durch vergitterte Schlitze nahe des Bodens aus der Wand. Das ist um einiges wirkungsvoller als diese weißen “aircons”, Raumkühlungen, die man oft findet und die kalte Luft direkt von einer Seitenwand, oben angebracht,  in den Raum blasen.

Allerdings haben wir diese Kühlung bis jetzt sehr selten benutzt. Zum einen sind wir weitaus mehr als andere draußen unter freiem Himmel unterwegs, radelnd, laufend, im Garten etc. Wir finden schon 26 Grad kühl, wenn es draußen über 30 Grad sind. Ich bin z.B. auf Arbeit von Einwanderern aus subtropischen Gegenden umgeben, die ständig zuhause mit Kühlung lebten und draußen mit dem Auto und Klimaanlage unterwegs sind. Diese regeln die Klimaanlagen oft auf arktische Temperaturen herunter.

Das Verständnis für die physikalischen Grundlagen und Dingen wie Regelungstechnik ist bei vielen sehr begrenzt. Dass man bei Hitze der Klimaanlage nicht 16 Grad als Ziel vorgibt, um 22 Grad zu erreichen, wird oft nicht verstanden. Es reicht 22 Grad anzugeben, die Kühlung erreicht diese 22 Grad genauso schnell und hält diese Temperatur bei einer regelnden Anlage. Auch sehe ich immer wieder Menschen, die Rollos auf der Südseite zuziehen, von wo die Sonne nie hereinscheint. Zur Erinnerung: Wir leben auf der südlichen Halbkugel, die Sonne steht zu Mittag im Norden.

Unser Haus hat im Osten ein doppelstöckiges Haus mit mehreren Wohnungen als Nachbarn. Daher fehlt unserem Einstöcker die Morgensonne. Daher ist es morgens recht kühl. Wenn es eh nicht sehr warm wird, fühlt es sich hier wie ein Eispalast an. Positiv ist anzumerken, dass es eben auch an heißen Tagen etwas kühler als anderswo ist.

Melbourne liegt nicht direkt am Ozean, sondern an der Port Phillip Bay, die ziemlich kreisförmig rund 70km im Durchmesser groß ist. Wenn die Spirit of Tasmania durch die Bucht aufs Meer zu der großen Insel im Süden fährt, in etwas mehr als 10 Stunden, dauert es etwa 1,5 Stunden bis sie durch die schmale, nur etwas mehr als  2km breite Öffnung den Südlichen Ozean erreicht. Zum Vergleich: Wer von Rostock nach Gedser, nach Dänemark, unterwegs ist, bewältigt mit der Fähre die Entfernung von 40km  in fast 2 Stunden.

Gesten war es, wie gesagt, ein heißer Tag. Die niedrigste Temperatur zu Sonnenaufgang war fast 25 Grad. Ich ging vor dem Frühstück hinunter zum Strand und tauchte in das erfrischende ruhige Wasser der Bucht hinein. Wenn kein Wind ist, ist die See flach wie ein Spiegel. Gestern morgen war kaum Wind. Auch zu Mittag nahm ich mein Rad und war nach zehn Minuten wieder am Wasser. Blauer Himmel, blaues Meer – was will man mehr?

Am Nachmittag nach drei konnte ich das Spektakel des “cool change”, des Wechsels ins Kalte, anschauen.  Ich habe aus dem dritten Stock einen Panoramablick über die kleinen Häuschen South Melbournes bis auf die Wolkenkratzer der Innenstadt. Wo eben noch blauer Himmel ab und an ein weißes Wölkchen war, türmten sich jetzt graue Wolken. Der Südwind hatte gewonnen. Nach Tagen der ansteigenden Hitze blies es nun kühl aus den antarktischen Gewässern in die Stadt hinein. Von 40 Grad ging es blitzschnell auf weniger aks 20 Grad herunter. Als ich gegen sieben nach Hause fuhr, fröstelte ich auf dem Rad ein wenig in meinem kurzärmligen Sommerhemd.

Jetzt wird es ein paar, oft fünf oder sechs Tage, dauern, in denen es sich langsam wieder erwärmt, bis zum nächsten cool change. Der Sommer ist ein auf und ab, bis es sich zum goldenen Herbst beruhigt. Die Aborigines nennen den Herbst die Zeit, in der der Regen und der Wind aufgehört haben.

Zur Zeit genieße ich aber noch ein wenig Sommer. Dessen Wechselhaftigkeit und insbesondere der cool change fasziniert mich immer wieder. Ich merke, dass ich an der Wasserkante gelandet bin, die Kälte und Hitze, einen roten Kontinent und eine kalte See, an dessen anderem Ende ein schneeweißer Kontinent liegt, voneinander trennt.