12 Monate in 12 Tagen – Tag 7: Winter, Sport und Zeitvertreib

Nach Ostern geht es in Melbourne dem Winter entgegen. Es ist Footy-Zeit, Australian Rules Football. Ohne den ist der Winter doch um einiges trüber. Mit meiner Tochter ging ich wieder ins Stadion, und, da es Winter ist, kann ein Aufwärmen in der Irish Times nicht schaden.

Die irische Flagge bläht sich im Winterwind, seitdem ich in Melbourne lebe, und sicher etwas länger. Ich erinnere mich an einen Abend mit einer U2-Coverband, die insofern beeindruckend war, daß der Sänger nicht nur sehr nach Bono klang, sondern auch die Gestik und das Pathos des irischen Sängers verblüffend imitieren konnte. Über die Irish Times schreibend, komme ich nicht umhin, an den Drunken Poet am Queen Victoria Market zu denken. Hier ist praktisch das Zuhause der irischen Fiddle. Hingehen, Guiness oder Kilkenny trinken, der Musik zuzuhören und mit Unbekannten zu plauschen, die am Ende eines Nachmittags oder Abends nicht mehr ganz unbekannt sind – das ist der Drunken Poet.

Und dann gab es auch wieder den runden Fußball im Fernsehen und in der Kneipe: Die ein Jahr verspätete Fußball-EM. Viele Deutsche waren morgens um 2 oder um 5 nicht zu finden, da z.B. viele junge Deutsche das Land inzwischen verlassen hatten. Das letzte Gruppenspiel der deutschen Nationalmannschaft fand zeitgleich mit dem unserer Kontrahenten in der Gruppe statt. So waren Ungarn, Deutsche, Portugiesen und Franzosen gleichzeitig im Pub. Kein Problem.

Wie wir wissen, hat die deutsche Nationalmannschaft die Gruppenphase überstanden. Gerade so… Am Ausgang bekam ich den Rat, fürs nächste Spiel schnell zu buchen, da die gegnerische Mannschaft viele Fans hätte. Und wegen diesen gäbe es das nächste Spiel das Bier aus Plastebechern, nicht aus Glas. Ich war dann bei dem Spiel, welches das letzte der Deutschen sein sollte. Als die Engländer Tore schossen, tanzten Fans auf den Tischen, die ab und an umkippten, und es flogen volle, halbvolle und leere Biergläser durch den Raum.

Okay, das Letzte stimmt nicht. Es waren Plastebecher.

Inzwischen war “der Adler gelandet”. Unser Gesundsheitsminister war sehr dramatisch und beschwor die Mondlandung, als die ersten Dosen Pfitzer ins Land eingeflogen wurden. Genug, um besonders Gefährteten, wie unserem Prime Minister, eine Dosis zu verspritzen. Danach war das Ding gegessen. Scott Morrison hatte seine Impfung und für den Rest des Landes , da war er sicher, war es “not a race”, kein Rennen.

Pfitzer gab es zwar nicht genug, aber Astrazeneca, welches in Melbourne produziert wird. Ganz selten kann man davon selbst Probleme bekommen, aber da wir für ein paar Monate keinen Virus im Lande hatten – die Außenwelt hatten wir einfach ausgesperrt, mehr oder weniger – war diese Gefahr, die geringer war als die Chance, im Lotto den Jackpot zu knacken, genug, um viele vom Impfen mit Astrazeneca abzuhalten.

Meine Frau und ich haben Superhelden gleich die schönste Impfstelle der Stadt gebucht, das für eine Weltausstellung 1879/80  gebaute Royal Exhibition Building, mit seiner Kuppel dem Florenzer Doms nachempfunden. Ein paar Minuten mit ein paar Dutzend Menschen warten, Eingang, Personalien überprüfen, eine Spritze in den Arm kriegen – was, das war’s schon? – 15 Minuten warten, für den Fall der Fälle, daß ich umfalle oder mir ein drittes Ohr mit 5G-Antenne wächst, mir die Kuppel von unten angucken, Fall erledigt.

Wir kamen gerade zur rechten Zeit. Meine Tochter mußte kurz vorher ins Krankenhaus, das hat unsere Buchung ein wenig verzögert, aber kurz danach fingen die Leute an, sich um Imfungen zu drängeln.

Fortsetzung folgt.