12 Monate in 12 Tagen – Tag 4: Wo spielt die Musik?

Ein Jahr ohne Musik ist für mich wie ein Wasser ohne Fisch. Also habe ich mich auf die Suche gemacht, ab und an. Nicht alle Träume platzen, aber trotzdem haben so manche Federn gelassen. Von Gästen aus fremden Landen werden wir wohl für eine Weile nur träumen können. Nicht nur für die Killers war das Jahr 2021 ein Killer Year.

Aber kurz zurück zum Fisch. Wir haben den Geburtstag meiner Frau mit kantonesischer Küche in der Gaststätte feiern können. Vorallem seit Ende der Neunziger, als Hongkong von England zurück zu China ging, waren Menschen aus Hongkong auch nach Melbourne gezogen. Daher ist in einigen Stadtteilen der kantonesische Einfluß zu sehen, zu hören und zu schmecken. Später kamen viele “Mainland Chinese”, Chinesen aus der kommunistischen Volksrepublik, nach Australien. Ein nicht unbeträchtlicher Anteil davon sind junge Studenten. An Plätzen wie das von mir fotografierte Box Hill hat man das Gefühl in Asien zu sein. Die Schrift ist chinesisch, die Menschen sind chinesisch, und aus den Restaurants riecht es nach China.

Wir besuchten auch das Haus im Osten der Stadt, in dem meine Frau früher gewohnt hatte, aber statt ihres Hauses war das eine Baustelle, es wird neugebaut.

Auch zwei meiner/unserer früheren Zuhause wurden verkauft und abgerissen, heute stehen dort mehrere neue Häuser, die kleiner sind und wenig bis gar keinen Garten mehr haben. Wo wir jetzt wohnen, darf nicht einfach abgerissen werden, daher ist der von meiner Frau bewirtschaftete Garten erst einmal sicher.

Zurück zur Musik: Natürlich findet sich Musik im Radio. Und Melbourne hat die von Hörern finanzierten Kommunalsender. Wenn diese auch mit kleinem Budget und viel freiwilliger Arbeit von Moderatoren und hinter den Kulissen operieren, Geld ist wichtig.

So hat der sich auf klassische Musik – mit einem Hauch von Jazz – konzentrierende Sender 3MBS alle Einstrengungen unternommen, um den jährlichen Radiomarathon zu veranstalten, der bei der Finanzierung eine nicht unerhebliche Rolle spielte.

Er fand in einem der alten Theatern der Stadt, im Athenaeum Theatre, statt, und war Joseph Haydn, dem Vater des modernen Streichquartetts und der Sinfonie, gewidmet. Ich habe mich auf den Tag gefreut – ein ganzer Tag klassische Musik! Das hatte ich zuvor noch nie gemacht. Es war schön, einen ganzen Tag in Haydns Musik einzutauchen, die auf unterschiedlichste Weise dargeboten wurde.  Zum Teil ging es wirklich klassisch zu, mit Geigen und Flöten, es wurde aber auch geplant und ungeplant improvisiert und arrangiert.

So arrangierte ein Pianist, begleitet von einer Violinistin, ein bekanntes Thema aus dem Kaiserquartett, welches uns Deutschen sehr bekannt ist, als Nationalhymne, “Einigkeit und Recht und Freiheit”, welches bei Haydn zunächst dem österreichischen Kaiser gewidmet war: “Gott erhalt uns Franz, den Kaiser”. Was die beiden sich bei den Variationen gedacht haben, weiß ich nicht, eine davon erinnerte mich an Jimmy Hendrix, wie er das Star Spangled Banner zerschredderte.

In einer anderen Aufführung war der Star eine Orgel. Ursprünglich sollte dazu ein Chor auf der Bühne stehen, durfte aber nicht, der Covidregeln wegen (auch für uns als Gäste gab es einige zu beachten).  Die Orgel war aber schon von Sydney aus hierher transportiert worden, so arrangierte der Musiker die Stücke spontan, daß sie auch ohne Chorbegleitung gefielen.

Ich hoffe auch nächstes Jahr wieder dorthin zu gehen, und vielleicht eine oder einen meiner Gesprächspartner(innen), die ich an diesem Tage traf, wiederzusehen. Peter hat Parkinson und für ihn war es schon anstrengend. Ich hoffe doch.

Ganz anders war die Musik im “Untergrund’ in der Swanston Street, Heavy Metal und Verwandtes. Ein Abend mit einheimischen Bands, die endlich mal wieder eine Spielmöglichkeit hatten. Die Freude war deutlich zu sehen, bis auf bei einer Band, wo wir das Gefühl hatten, eines der Bandmitglieder macht sich beim Rest gerade unbeliebt. Ich würde mich nicht wundern, wenn sie das nächste Mal in anderer Besetzung auf der Bühne stehen. Ich muß aber gestehen, daß ich mich gerade an keinen einzigen Bandnamen mehr erinnern kann..

An den Namen des weiter unten abegbildeten Herren erinnere ich mich aber sehr. Es ist Tim Rogers, Gitarrist und Sänger der seit etwa zwanzig Jahren existierenden Band You Am I. Die Band hat in der Zeit der Pandemie ein neues Album eingespielt. Sie spielten Stücke davon und bekannteres älteres Material. Ihr größter Hit ist  “Heavy Heart”, welches ich einmal im Cherry Club gehört habe, gesungen von Tim Rogers begleitet von den Supersuckers. Das war vor so langer Zeit, als noch amerikanische Bands zu uns kamen.. Dieses Jahr spielten You Am I zweimal am gleichen Tag im Mai, und ich habe Karten für die “Spätvorstellung” gekauft. Die Gesichter der ersten Runnde waren begeistert. Ich glaube, beim zweiten Mal ist Tim ein wenig die Luft ausgegangen. Er mußte direkt unter einer Klimaanlage stehen, und statt geschwitzt wie sonst schien er dieses Mal zu frieren. Das ist sicher auch nicht gut für die Gesundheit. Es war dieses mal also eher ein Soso-Abend.

Im Hintergrund höre ich beim Schreiben Screaming Symfony mit Peter und Gary, eine Prog-Rock-Show bei PBS, einem anderen Kommunalsender. Peter hat einen so tollen deutschen Akzent.. heute ist er übers Telefon zugeschaltet, wegen Covid in Quarantäne. Er war als Kontakt von Infizierten registriert worden und wartet nun auf sein Testresultat. Das Leben ist doch voller Überraschungen.. Im Mai nahm ich mir mal Zeit, durch die Räume des ACMI, des Australian Centres for Moving Images, für bewegte Bilder, Fernsehen, Kino, Videospiele, zu streifen. Dieses typische Wohnzimmer der Achtziger kam mir bekannt vor. Das Haus in Sydney, welches einen Billiardtisch in der Küche hatte, wollten wir zu Silvester zu besuchen. Zu Ostern haben wir den Besuch dann geschafft, aber davon später mehr.