Wieder zuhause.. Zeit verging schnell, jetzt sitze ich in Melbourne und schaue mir die Bilder an. In China war wenig Zeit, da wir viel mit Familie unterwegs waren. Daher geht es jetzt durch die letzten zwei Wochen unserer Reise.
Wuhan also,, eine Stadt voller Tanten und Onkel und Cousins und Cousinen. Viel Familiengeschichten, da Qian hier an der Uni gewesen ist.
Eine der Kusinen nimmt uns auf, wir wohnen eine Woche bei ihr und ihrem Ehemann. Die beiden haben in einem Wohnungskomplex eines Forschungsinstituts eine zweistöckige Wohnung unter dem Dach, im zehnten Stock, Nummer 1001. Während unserer Zeit bei ihnen muss es mindestens 1001 Geschichten gegeben hatten, die sie miteinander teilten. Ich habe mich zeitweise diskret aus dem Verkehr und in unser Zimmer gezogen, mein Chinesisch ist leider praktisch nicht existent. Mein Gehirn kann sich zwölfstellige Nummern für den Einlaß ins Haus merken, aber “Guten Morgen” in Mandarin? Und wenn ich mir das erlesen habe, kommt Qian und sagt mir,
dass das nicht die gebräuchliche Wendung ist. Oder ich verwechsele es mit kantonesisch, C’est la vie..
(Ein Blick von der Wohnung über die Stadt)
Die Tanten und Onkel wohnen nicht sehr weit entfernt auf dem Unigelände. Dort spielte sich unser “Alltag” zumeist ab. Auch, da Qian mir en wenig ihre Uni zeigen wollte. Einiges steht noch da, einiges wird neu gebaut und ganz Altes auch mal abgerissen. Da entsteht dann wieder etwas Neues.
(Fertig! Die frisch Graduierten beim Fotografieren)
Was an der Uni auffällt, ist viel Grün. Man kann die Strassen, die eher gepflasterte ioder geteerte Parkwege sind, entlang wandeln oder radeln oder mit dem Moped (elektrisch) fahren. Ab und an ist auch ein Auto dazwischen, das geht dann aber ganz langsam. Es gibt Teiche und es gibt Sportplätze, auf denen bis spät in den Abend unter Flutlicht Fußball oder Basketball oder Tennis gespielt wird. Am Freitagabend ist dann viel los, Student:innen sitzen und stehen zusammen, flanieren, quatschen.. nun, es wird noch mehr geben 🙂
(Vor der Uni im Regen, ein “Bücherausleihautomat” in der Metro)
Am ersten Abend waren wir dann zu zehnt essen. Da waren unsere Gastgeber, seine Mutter, Tante no.4 und Tante no. 6 jeweils mit Mann, und ein weiterer Cousin, der Sohn von Tante No.6. Dieses “Nummerieren” von Verwandten ist im Chinesischen üblich. Der Name wird seltener genannt, und die Bezeichnungen sind recht spezifisch. So weiß man von der Anrede, ob man mit der Großmutter mütterlicher- oder väterlicherseits, mit dem jüngeren oder älteren Cousin redet.
Wir aßen in der Uni, die auch Gaststätten hat. Wir haben zumeist in Einzelzimmern gegessen, die von Qians Verwandten oder Freunden gebucht wurden. Im Raum steht ein großer runder Tisch mit Drehkarussel (auf englisch “Lazy Susan”, keine Ahnung, wie man das am besten in deutsch nennt). Alle Essen kommen in die Mitte und dann geht es los. Es ist ein Fisch dabei, eine Ente oder Gans, Suppen mit Fischbällchen, Lotuswurzel sind gerade in der Saison, ein lokal gefangener Krebs etc. pp. Wuhan, die Hauptstadt von Hubei, hat keine eigene Küche, heißt es, stattdessen “absorbiert” es allerlei Mahlzeiten und Rezepte aus den umlegenden Provinzen.
(Ein weiterer Onkel und ein Kommilitone von Qian)
Wuhan selbst ist eine Erfindung der Neuzeit. Erst im 20.Jahrhundert wurden drei Nachbarstädte, die an der Mündung des Han Rivers in den Yangtze liegen,
zusammengefasst. Der Han River kommt von Norden, von Shanxi, die *Hauptquelle” des Yangtze liegt weit im Westen, in Tibet. Übrigens: Während wir im Westen zumeist vom Yangtse als Ganzes reden, ist lokal der Name dem unteren Teil des Flusslaufes von Nanjing vorbehalten. Im ganzen heißt der Fluss in China Chang Jiang, langer Fluss.
Zurück zu Wuhan, Heimat von ca. 19 Millionen Menschen: Wo unter anderem die Universitäten zuhause sind und wir die meiste Zeit verbrachten, ist Wuchang. Dann ist da noch Hankou mit seinem alten Hafen, in dem heute eingekauft und gefeiert wird, und Hanyang, welches wir nicht sahen, dem Vernehmen nach ist da viel Industrie zuhause. Bis 1957 musste man mit Fähren den Yangtze überqueren, eine Eisenbahn- und Straßenbrücke verbindet seitdem Wuchang und Hankou und Eisenbahnen können
seitdem direkt von nach Peking nach Guangzhou fahren. Wuchang hat einen Platz in der Geschichte des modernen Chinas dank eines Aufstandes im Jahre 1911, der zur Abdankung des letzten Kaisers der Qing-Dynastie und zur Ausrufung der Republik führten.
An einem etwas regnerischen Tag waren wir zu zweit in Wuchang unterwegs. Um 2010 wurde dort ein “Europaviertel” gebaut, mit italienischer, spanischer, deutscher etc. Gegend. Ich hoffte, dort etwas Nachtleben zu finden. So ganz überzeugend sah das nicht aus, aber immerhin haben wir eine Rockmusikschule gefunden und Schilder, die auf einen Bogenschießklub hinwiesen.
Wirkliches Nachtleben gab es am Freitagabend in Hankou. Viel Volk war auf den Straßen, es wurde flaniert, posiert und gegessen. Am Anfang ein paar Goldschmuckläden, auf deren Balkonen junge Frauen zu Popmusik tanzten, wir sahen einige hübsch “verkleidete” junge Damen – wir ließen uns einfach treiben. Für eine Weile saßen wir in einem Laden, der früher ein Postamt gewesen ist. Wir bekamen einen kleinen Beutel mit Aufschrift: Make China Great Again. Joo, muss man haben!
!
Schließlich ging es nach Hause. Dieses hier ist ein zentraler Platz nahe unseres Quartiers: Oben ein großer Kreisverkehr für Autos, unten ein rundrumlaufender Tunnelgang für Fußgänger und schließlich eine Metrostation. Auf dem Weg nach Hause schauten wir oft bei den Obsthändlern auf der Straße nach und kauften Kirschen und Lychees für den Frühstückstisch.
An einem anderen Tag waren wir mit der körperlich Agilsten der fidelen Onkel-/Tantentruppe und ihrem Sohn unterwegs. Sie ist 93 Jahre alt. Ihr Ehemann gleichen Alters ist leider nicht mehr so gut unterwegs. Es war interessant zu sehen, wie bei den älteren Herrschaften der Charakter immer noch durchscheint. Der 93jährige wurde gefragt: Wie alt bist Du?, seine Antwort: 35. Als jemand auf sein wirkliches Alter hinwies, entgegnete er: “Das kann gar nicht sein. So alt wird man doch nicht!” Es war nicht einfach, ihn zum Gehen zu bewegen. Wenn es aber ums Eimkaufen ging, wollte er mit, zum Helfen. Ein anderer Onkel war Geschäftsmann. Als wir essen gingen, guckte er immer wieder auf die Rechnung, ob denn auch alles stimmte. Nicht, dass er bezahlt hätte.
Zunächst gingen wir mit besagter Tante und Cousin zum 150 Jahre alten Gude-Tempel. Ein interessanter Ort, die Gebäude sehen von der Fassade wie ein grichischer Tempel, eineMoschee oder eine Kirch aus, tatsächlich alles vertreten. Er ist aber ein buddhistischer Tempel. Das Hauptgebäude, die Yuangtong-Halle ist außen einem griechischen Tempel nachempfunden, innen einem burmesischen buddhistischen Tempel.
Danach gingen wir am Fluß spazieren. Eine endlos erscheinende Promenade, ein Park, der Blick auf den Fluss mit Schiffen und den Hochhäusern der Stadt auf der entgegen liegenden Seite. Es war heiß, Tante Nr.4 musste sich etwas ausruhen.
Wir gingen zum Essen. Danach machten wir uns auf in die europäisch geprägten Straßen von Hankou auf. Nach dem zweiten Opiumkrieg war auch Wuhan einer der von westlichen Mächten beherrschten Handelsorte. Heute läuft man dort spazieren oder macht Hochzeitsfotos. Die werden übrigens in China wohl zumeist vor der Heirat angefertigt.
Eine ehemalige russisch-orthodoxe Kirche war Museum geworden, die über den Teehandel zwischen China und Russland berichtete.
Wie gesagt, wir waren bei Cousine und Ehemann einquartiert, was sehr nett war. Unter anderem waren wir einen Tag mit ihnen unterwegs, Radeln am großen See von Wuhan. Wir stiegen auf einen Berg, an dessen Spitze einer Pagode war, ein Denkmal, einem Sterngucker gewidmet, und haben den Weg im Grüb und die Blicke auf den See genossen. Und, gut geraten, wir waren essen!
Alles in allem ebenfalls eine schöne Woche. Vielleicht sind wir nächstes Jahr wieder hier – wir haben ein Treffen der Mitstudent:innen von Wuhan ins Rollen gebracht, welches eventuell im September 2026 stattfindet. Wir werden sehen. Dann sicher auch wieder mit Familienbesuch.
Bis dann!