.. fuhren wir nach Osten und dann nach Norden, um uns mit Elke und Stanley zu treffen.
Ich nahm den Mittwochnachmittag frei, und gegen drei waren wir im Auto, das Hotel California hinten dran, und fuhren hinaus aus der Stadt, zunächst nach Südwest.
Im wesentlichen galt es dem M1/A1, dem Princes Highway zu folgen, der sich an oder nahe der Küste entlangschlängelt, zunächst vorwiegend westwärts, dann zur Grenze nach New South Wales und hoch gen Norden, wo schließlich Sydney liegt. Aber nicht ganz so weit, unser Ziel war Eden. Von Sydney kamen Elke und Stanley, wobei das nicht ganz stimmt, Sie kamen aus Canberra angereist, in dessen Nähe einer der Söhne wohnt.
Wir machten uns erst einmal auf den Weg nach Moe. “Moe-Steven” war leider letztes Jahr verstorben, wir besuchten seine Frau, mit der wir abends in eine Tapas-Bar gingen. Wobei nicht alles Tapas waren, es gab u.a. Hühnchen in Pyjamas, pardon, Chicken Parmigiana, und auch die Tapas hatten Kneipengröße. Chicken Parmigiana, Hühnerbrust eingehüllt in Käse und Tomatensauce, ist, wie mir die Wikipedia verrät, ein Gericht mit US-Ursprung, wo es in den 1950ern von italienischen Einwanderer:innen “erfunden” wurde. In Australien kann man das Gericht in vielen Kneipen finden, zumeist mit vielen Pommes Frites zur Seite, und ein wenig Grünzeugs.
Kati gab uns am Abend Palatschinken auf den Weg, gefüllt mit Nutella, Walnuss oder Ricotta. Diese wurden für die nächsten zwei Tage unser Frühstück.
Moe liegt im Latrobe Valley, in dem Braunkohle abgebaut wird und in Kraftwerken verheizt. Das prägt die Region, auch wenn es mit der Kohle und den Kraftwerken dem Ende entgegen geht. Hazelwood z.B. wurde bereits abgeschaltet, die anderen gerade noch am Leben erhalten, aber auch sie sind alt und nicht renovierungsfähig. Die Zukunft ist ganz klar und eindeutig erneuerbare Energieformen, auch wenn die Opposition Fieberträume von einer noch nicht existierenden Nuklearindustrie hegt. Nächstes Wochenende sind Wahlen und hoffentlich können wir diese Wotan-Wahnwitz-Fantasien dann ad acta legen.
Das Land wird flach, es gibt Gras und Kühe, wenn man nicht gar zu genau hinschaut, um die Baumarten zu erkennen, hat es ein wenig mecklenburgischen Charakter. Wir machen Mittagspause zur Brotzeit etwas abseits des Highways. Bei Lakes Entrance sehen wir das Meer noch einmal, kurz vor Halbzeit auf der Fahrt nach Eden, den 550 km im Ganzen, dann wird es hügelig und waldig. Bis Eden sind kaum noch nennenswerte Orte zu finden, selbst kleinste Ortschaften wie Cann River und Orbost erscheinen nur alle 50+ Kilometer. Die verheerenden Waldbrände vn 2019/20 sind immer noch an angekohlten Baumstämmen zu sehen, auch wenn sich der Wald im
wesentlichen davon erholt hat. Dunkles Grün umsäumt die Straße für etliche Kilometer.
Schließlich erreichen wir Eden, treffen unser Freundespaar, entfalten unser Zeltdach und essen gemeinsam Abendbrot. Stanley gibt mir sein Spezialrezept zum Hände kühlen, dunkles Toohey Old, und auch Rotwein. Auf dem Weg ins Bett sehe ich die Milchstraße über mir und höre den Ozean ans Ufer schlagen. Eden halt.
Am nächsten Tag machen wir uns auf zu einer kleinen Wanderung auf dem Bundian Way. Ein Pfad hinter der Küste, ein paar Kilometer auf den Spuren der Aborigines, die hier vermutlich für Jahrtausende wanderten. Im Sommer hinauf in die Berge, im Winter, wenn es kühler wird, an die See. Schautafeln machen uns ein wenig mit ihren Geschichten vertraut, wie auch mit der geologischen Vergangenheit der rötlich gefärbten Klippen, die sich vor 360 Millionen Jahren aus Sedimenten bildeten und fossile Zeugnisse für damalige Wälder und Fauna sind.
Zurück kletterten wir über das Ufergeröll und -gestein zurück,
dabei allerlei Schabernack und Muschelsammeln betreibend.
Über jüngere Geschichte kann man am Boyd Tower meditieren. Bei Eden steht der Boyd Tower, ein Monument, welches sich Benjamin Boyd auf der Höhe seines Reichtums bauen ließ. Gedacht als Leuchtturm, war es ihm nicht erlaubt, diesen zu betreiben, so wurde der Turm vor allem zur Ausschau nach Walen benutzt. Die Aborigines jagten Wale vor der Ankunft von weißen Einwanderern, diese betrieben Walfang in großem Umfang und dezimierten die Zahl der Meeressäuger.
Benjamin Boyd war der erste, der hier Blackbirding betrieb. Aus dem Südpazifik wurden dortige Ureinwohner nach Australien verschleppt, um hier unter sklavereiähnlichen Verhältnissen zu arbeiten. Ein Schiff mit 65 Insulanern kam 1847 in Eden an. Diese wussten kaum, was ihnen hier geschehen sollte. Den Kolonisten wurden auch etwas ungemütlich zumute, und es wurde beschlossen, das zu verbieten. Einige der Insulaner machten sich auf den Fußweg nach Sydney und versuchten, nach Hause zu finden. Nicht vielen gelang das. Einige fanden Arbeit, die Spuren verwischen sich hier, vom Ende ihrer Geschichte ist nicht viel bekannt.
Boyd bekam finanzielle Schwierigkeiten, und wurde schließlich bankrott und machte sich aus dem Staub. Blackbirding wurde später bis ins 20.Jahrhundert hinein vor allem in Queensland z.B. auf Zuckerplantagen betrieben.
Der Ozean ist zu schön, um bei blauem Himmel und Sonnenschein allein gelassen zu werden, auch am nächsten Tag liefen wir noch einmal auf einen Weg nahe der Küste, auf dem Pinnacles Walk.
Hier verweilten wir einige Zeit am Strand.
Am Nachmittag waren wir am Pambula River. Die Flut drückte das Wasser in das flache Flussbett hinein, Kinder spielten hier, geschützt von den übermannshohen Wellen des Ozeans. Einst fuhren von hier Schiffe nach Sydney, beladen mit Obst und Gemüse aus den Gärten am Flusse. Die Frauen machten auf der Wanderung Fotos von verschiedenerlei Pilzen, die hier wachsen. Eine Art leuchtet im Dunkeln grün, wie Elke uns später mit einem gesammelten Exemplar zeigte. Spät am Abend bemerkten wir Wetterleuchten von irgendwo in der Ferne, wir blieben aber auch diese Nacht vom Regen verschont. Bemerkenswert, da es fast überall an der südlichen Ostküste Australiens regnete. Ist halt Eden..
Aber auch für uns ging die Zeit im Paradies dem Ende entgegen. Wir verabschiedeten uns und Qian und ich machten uns auf den Weg nach Hause. Zurück ging es wieder über die hunderte Kilometer lange “Waldstraße” des Princes Highway, in dem auch wir schließlich etwas Regen fanden, wenn auch selten stark. Im Lakes Entrance aßen wir in einem Cafe zu Mittag. am Abend erreichten wir das Südende der Stadt. Wir beschlossen, ein afghanisches Restaurant zu besuchen, eine weitere Gaststätte auf unsere Stadtreise “In 80 Küchen um die Welt”. Das Essen schmeckte und das Restaurant sah stattlich aus. Die Bilder an der Wand, das berühmte Schulmädchen und die Buddhastatuen im Felsen, die von den Taliban zerstört wurden, waren ein Anzeichen dafür, dass der Betreiber auf die heutigen Machthaber in Kabul nicht sehr gut zu sprechen ist.
Für uns war es ein schönes Ende unseres verlängerten Wochenendes.